Dass der schmale Gratweg zwischen Veränderung und Zerstörung gelinge, dazu soll dieses Buch über die naturräumlichen Grundlagen der Landnutzung am Beispiel einer Region beitragen. Es soll zeigen, wie die vielseitigen Anforderungen der Landnutzung durch geschicktes Anpassen an die naturräumliche Vielfalt gestaltet werden können bei höchstmöglicher Nachhaltigkeit der Funktionstüchtigkeit des Naturraums.
Darüber hinaus fühlen wir Autoren des Buches uns einer Ethik der Ehrfurcht vor der Schöpfung Natur verpflichtet, im Sinne einer Erweiterung der Schweitzerschen Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben.
Der Zustand unserer natürlichen Lebensumwelt macht uns Sorge. Wir Menschen der modernen Industriegesellschaft verhalten uns in unserer Gier nach noch mehr Wohlstand so, als wäre das Leistungsvermögen unserer naturräumlichen Umwelt unerschöpflich. Wir verbrauchen verschwenderisch durch versiegelnde Bebauung trotz verharrender Bevölkerungszahl Naturraumflächen in den Randgebieten der Städte und Dörfer. Wir entziehen durch Stickstoffwerke der Lufthülle unter maßlosem Energieverbrauch große Mengen Stickstoff und belasten durch Emission von Reststickstoff sowie durch übermäßige Düngung den Naturhaushalt, im Extremfall bis zum Stickstofftod von Nadelholzwäldern und bis zur Ungenießbarkeit des Grundwassers.
Diese Beispiele über einen verschwenderischen Umgang mit Naturgütern ließen sich zahlreich vermehren. Noch bedeutender aber sind jene Naturraumbelastungen, die man unter den Lebensbedingungen der Industriegesellschaft für unvermeidlich hält, wie den Umgang mit fossilen Energieträgern, den Verbrauch mineralischer Rohstoffe, die wachsende Dichte des Straßennetzes und der Wasserstraßen, die zunehmende Konzentration der landwirtschaftlichen Produktion auf einer immer kleiner werdender Nutzfläche mit allen daraus erwachsenden Überlastungen. Entwässerungen, in geringem Grad für die Landnutzung oft sinnvoll, haben auf großen Flächen das landschaftsökologische vertretbare Maß überschritten. Als alles überschattende Bedrohung kommt der sich abzeichnende Klimawandel mit seinen teils schon absehbaren teils aber noch unvorhersehbaren Folgen hinzu.
Will die Menschheit auf Dauer überleben, muss sie mit ihrem Lebensraum sorgsamer als bisher haushalten. Das gilt für die Erde als Ganzes, und das gilt auch für jene Teile, die in diesem Buch als Naturräume unterschiedlicher Dimension dargestellt werden. Ziel des Buches soll sein, am Beispiel einer intensiv genutzten Naturraumregion, dem nordmitteleuropäischen Tiefland, von der naturräumlichen Grundlage her Wege zu einer ökologiegerechten Landnutzung zu weisen.
Indem wir den Naturraum mit seinen Eigenschaften und seinem Leistungsvermögen in all seiner räumlichen Vielfalt darstellen, wollen wir sichtbar machen, welche der menschlichen Ansprüche nachhaltig, d.h. ohne bleibenden Potentialverlust erfüllbar sind und welche der vielfältigen Naturräume dafür jeweils am geeignetesten sind. Wir wollen darauf dringen, dass naturräumliche Kriterien in der Landschaftsplanung und Raumordnung und in der Praxis der zweigbezogenen Landnutzung gleiches Gewicht erhalten wie die territorial-ökonomischen Kriterien.
Die Überbeanspruchung der naturräumlichen Umwelt zwingt dazu, das System der im naturnahen Zustand zu erhaltenden Naturräume auszubauen und zwar so, dass alle wesentlichen Naturraumtypen erfasst werden. Das ergibt eine Bezugsbasis, an der man die schon eingetretenen Veränderungen messen und die zu erwartenden vorausschätzen kann.
Die aus dieser Situation sich ergebende Notwendigkeit, die Landnutzung ökologiegerchter zu gestalten, ist befriedigend nur auf der Grundlage einer Naturraumerkundung erfüllbar, die für mehrere Naturraumdimensionen aus Kartenwerken und begleitender textlich-graphischer Darstellung besteht. Sie stellt in einem Basisteil den Naturraum in seiner natürlichen Ausstattung und den menschgemachten Veränderungen dar. Von dieser Basis aus wird der Naturraum stufenweise zuerst auf ökologische Funktionstüchtigkeit interpretiert und danach auf zweigübergreifende und zweigbezogene Landnutzung.
Für das Kerngebiet ist das Buch zugleich ein Kommentar für den Umgang mit einem Kartenwerk in vier aufeinander aufbauenden Maßstäben, das im mittleren und den beiden kleineren Maßstäben flächendeckend für die Gesamtlandschaft, im großen Maßstab nahezu flächendeckend für die bewaldeten Naturräume zugrunde liegt.
Unser Thema sind zwar nur die naturräumlichen Grundlagen der Landnutzung, nicht die Lenkung der Landnutzung unmittelbar, denn dazu müssten auch territoral-ökonomische Kriterien berücksichtigt werden, Dadurch aber, dass wir den Naturraum nach seinen Nutzungschancen interpretieren, enthält das Buch viele auch unmittelbar anwendbare Entscheidungsgrundlagen für die Praxis der Landnutzung.
Vorherrschende Befundsgrundlage für die mineralisch-terrestischen Naturräume sind die Ergebnisse der forstlichen Standortserkundung im nordostdeutschen Tiefland; für die Moore sind es die Aufnahmeergebnisse der Moorerkundung nach dem Konzept M. Succows und L. Jeschkes. Für die Seen dient die von Succow begonnene und R. Mauersberger fortgeführte naturräumliche Betrachtung als Grundlage, und für die Fließgewässer hat D. Mehl mit seinem Beitrag in diesem Buch mit der übergreifend-naturräumlichen Einbindung begonnen. Seinen übergreifenden Charakter verdankt das Buch der fachlichen Breite der Autorenschaft und langjährigem Gedankenaustausch innerhalb einer Forschungsgruppe der physischen Geographie zum Thema Naturraumerkundung unter Leitung von G. Haase.
Wir danken den vielen Standortserkundern, die seit 1951 in langjähriger Feinarbeit diese Grundlage geschaffen haben, und wir widmen Ihnen dieses Buch. Unser Dank gilt gleichermaßen den Mitgliedern der genannten Forschungsgruppe. Alle Fachkollegen, die mit besonderem Gedankengut an diesem Buch teilhaben, werden wir in den jeweiligen Abschnitten nennen.
Die naturräumliche Mannigfaltigkeit und die Fülle der Interpretationsmöglichkeiten zwangen uns zu einer schwer fällbaren Entscheidung: entweder durch Beschränkung auf Beispiele die Darstellung zu vereinfachen und für den in der Praxis der Landnutzung Tätigen leichter lesbar zu machen oder den Kenntnisstand so vollständig wie möglich darzustellen und dem Buch dadurch Handbuchcharakter zu geben. Wir haben uns für die möglichst vollständige Darstellung entschieden. Dadurch ist es aber streckenweise erforderlich, dass der in der praktischen Landnutzung tätige Leser die Hilfe von Spezialisten der Landschaftsforschung, der land- und forstwirtschaftlichen Standortskunde oder der Geobotanik in Anspruch nimmt.
Die Fülle des Stoffes, vor allem aber seine überzweigliche Breite, zwang oft zu äußerst gedrängter Darstellung in inhaltsschweren Tabellen und Abbildungen. Wir müssen den Leser auffordern, sich für das Einlesen Zeit zu nehmen, denn sonst bleibt ihm ein Teil der Aussagen verborgen.
Um die textliche Darstellung auch durch großformatige Darstellungen und Karten zu dokumentieren sowie durch Farbfotos zu veranschaulichen, sind dem Buch eine Reihe von CD-Anlagen beigefügt. Dadurch konnte der verlegerische Aufwand in Grenzen gehalten werden.
Das Gesamtkonzept unserer Methode besteht aus vier Arbeitsstufen. Wir veröffentlichen hier in einem ersten Teilband zunächst einen einführenden Teil und die erste Arbeitsstufe mit dem Titel Basisstufe der Naturraumerkundung. Der zweite Teilband mit den Arbeitsstufen Ökologische Funktionstüchtigkeit des Naturraums, Zweigübergreifende Nutzungsinterpretation und zweigbezogene Nutzungsinterpretation soll bald folgen.